Von Anne Jacoby, Florian Vollmers
Dr. Willi Fuchs, Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure,
VDI
30. Januar 2006
„Grundsätzlich sind die Berufsaussichten für Hochschulabsolventen
sehr gut. Dies wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern. Gerade im
Bereich der Zukunftstechnologien werden Ingenieure allgemein, aber besonders
auch Elektroingenieure gesucht. Gute Chancen haben Absolventen, die ein Querschnittsstudium
wie Mechantronik absolviert haben, also an der Schnittstelle zwischen Elektrotechnik
und Maschinenbau.“ (Dr. Willi Fuchs)
Elektro - das klingt ziemlich retro. Die Elektrobranche ist aber eine der Schlüsselbranchen
Deutschlands: Mehr als 50 Prozent der hiesigen Industrieproduktion und über
80 Prozent der Exporte hängen von der Elektro- und Informationstechnik
ab. Die Elektroindustrie zählt mit über 800.000 Beschäftigten
zu einer der größten Branchen hierzulande. Und damit hört der
Jubel noch nicht auf: Die Branche ist laut einer aktuellen Umfrage des Vereins
Deutscher Ingenieure (VDI) unter 1.000 Mitgliedern auch diejenige mit den besten
Zukunftsaussichten - besser noch als der Fahrzeugbau und die Bio-/Medizintechnik.
Nach Aussage des Verbands der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik,
kurz VDE, planen auch fast alle anderen Branchen, in den nächsten Jahren
mehr Ingenieure der Elektro- und Informationstechnik einzustellen.
Und noch ein bißchen Jubel: Eine VDI-Umfrage zusammen mit dem Institut
der deutschen Wirtschaft in Köln unter 1.000 Unternehmen ergab, daß
über 34 Prozent der befragten Unternehmen einen steigenden Bedarf an Elektroingenieuren
erwarten. Lediglich 5 Prozent gehen von einem sinkenden Bedarf aus. VDI-Direktor
Dr. Willi Fuchs bestätigt: Der Bedarf kann durch die Absolventen derzeit
kaum gedeckt werden. Strömten Mitte der 90er Jahre noch 14.000 frisch diplomierte
Ingenieure jährlich auf den Arbeitsmarkt, sind es derzeit lediglich 7.000.
Gebraucht werden aber rund 10.000, schätzt der VDE.
Damit aber genug des Jubels: Dies alles heißt nämlich noch lange
nicht, daß alle angehenden E-Techniker auch einen Job finden. Laut Zentralstelle
für Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) gehen Arbeitgeber
immer seltener Kompromisse bei der Stellenbesetzung ein: Bewerber sollten genau
dem Anforderungsprofil entsprechen, ansonsten bleibt eine Stelle eher über
längere Zeit unbesetzt. Neuen Mitarbeitern werde auch kaum mehr eine Einarbeitungszeit
gewährt - Neulinge sollten möglichst schon am ersten Tag produktive
Arbeitsergebnisse auf den Tisch legen. Konstruktionszeichnungen oder Prototypen
sind damit gar nicht mehr unbedingt gemeint. Denn Konstruieren und Entwickeln,
das klassische Ingenieur-Tüfteln also, macht nur noch rund ein Drittel
der Arbeit aus, schätzt der VDI. Planung, Marketing und Vertrieb nehmen
immer mehr Zeit in Anspruch.
Die Anforderungen sind breiter geworden. Hochschulabsolventen brauchen heute
neben dem fundierten Fachwissen verstärkt auch Know-how im Bereich der
Soft Skills wie Teamarbeit und Verhandlungsgeschick, betont auch VDI-Direktor
Fuchs. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sind von Vorteil, darüber hinaus
auch Grundwissen in Jura. Denn: In der Praxis wird der Ingenieur in zunehmendem
Maße mit Wirtschaftlichkeitsanforderungen, teilweise auch Vertragsangelegenheiten
konfrontiert, so Dr. Michael Schanz, Geschäftsführer des Ausschusses
Beruf, Gesellschaft und Technik beim VDE. Da deutsche Elektroingenieure weltweit
im Einsatz sind, geht ohne Fremdsprachenkenntnisse gar nichts mehr. Nach Einschätzung
der ZVA werden im Zuge der EU-Erweiterung dabei zunehmend auch Kenntnisse osteuropäischer
Sprachen verlangt.
Da der technologische Fortschritt in den letzten Jahren an Fahrt stark aufgenommen
hat, verlangen Unternehmen heute von ihren Mitarbeitern, daß sie sich
schnell Wissen neuer technologischer Entwicklungen aneignen. Mit dem Studienabschluß
ist das Lernen nicht vorbei. Darüber muß sich jeder junge Elektroingenieur
bewußt sein, mahnt Fuchs. Das klingt wie schon 1.000mal gehört, ist
tatsächlich aber vielen Absolventen unklar. Und mehr noch: Laut VDE sind
nichttechnische Kompetenzen - methodische, soziale, sprachliche oder Managementkompetenzen
- in letzter Zeit so sehr in den Vordergrund gerückt, daß viele Studenten
heute Führungswissen für wichtiger halten als Fachwissen. Die Praktiker
in den Fachabteilungen aber brauchen Einsteiger, die Grundlagenwissen gepaukt
haben: Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften und Mathematik. Der Weg
in die Führungsetagen steht ohnehin nur einem kleinen Teil der Berufseinsteiger
offen, erinnert VDE-Experte Schanz und fordert deshalb: Back to the roots. Zurück
zum Fachwissen.
Nach Einschätzung von VDI-Chef Fuchs werden Elektroingenieure 2006 gerade
im Bereich der Zukunftstechnologien gesucht: In der Mikrosystemtechnik oder
den Optischen Technologien zum Beispiel. Auch die IT-Branche suche, nachdem
es in den letzten drei Jahren dort stagnierte, wieder vermehrt Elektroingenieure.
Neben Kabeln und Steckdosen haben Elektroingenieure heute übrigens immer
häufiger mit Software zu tun. In den vergangenen Jahren ist der Anteil
der Industrieelektronik inklusive Software auf über zwei Drittel gestiegen,
gleichzeitig fiel der Anteil der Elektrotechnik auf 30 Prozent und der Konsumelektronik
auf 6 Prozent. Der VDE wertet den Strukturwandel positiv: Ein Trend, der für
die deutsche Elektroindustrie als kompetenter Partner in Planung, Produktion
und internationaler Zusammenarbeit auch Chancen bringt, schätzt Dr. Schanz.
FAZIT: Hochqualifizierte Elektroingenieure können sich ihren Arbeitgeber
2006 voraussichtlich aussuchen.