Optimist bleiben!

Am Arbeitsmarkt geht es ´rauf und ´runter; seit geraumer Zeit mehr ´runter als ´rauf. Die Stimmung in der Wirtschaft ist zwar wieder etwas besser, aber vom Arbeitsmarkt und auch in persönlichen Gesprächen hört man relativ oft schlechte Nachrichten.

In den Zeitungen liest man sehr unterschiedliche Meinungen über die Ursachen. Vor allem gibt es verbreitet Schuldzuweisungen und Parteinahme. Wer ist wohl schuld? Die Regierung oder die Opposition, die Arbeitgeber oder die Arbeitnehmer oder? Irgendwer muß doch schuld sein. Im Zweifelsfall sind es natürlich immer die anderen.
„Schuld“ sind aber im tiefsten Grunde die Automatisierung in Verbund mit der vom Gewinnprinzip gesteuerten Globalisierung. Das ist keine neue Erkenntnis. Man hat die Warnungen nur nicht beachtet oder einfach nicht geglaubt. Einen weltweiten Mangel an Arbeitsplätzen hat nämlich Norbert Wiener, der große Kybernetiker, schon 1949 vorausgesagt, als er begriff, das die künftigen Automaten schließlich jede einfach zu beschreibende Arbeit übernehmen werden [in seinem Werk „The Human Use Of Human Beings (Cybernetics And Society)“]. Und es gibt auch Anzeichen für einen aus dieser Weltsituation sich stärkenden Neomarxismus.

In dieser Situation sind Sie jetzt drin und müssen haufenweise Bewerbungen schreiben, intelligente Bewerbungen natürlich. Tipps dazu in dieser Ausgabe.

Scheinbar miese Aussichten für Ingenieure. Und schon sinken wieder einmal, wie am Anfang der 90er Jahre, die Studienanfängerzahlen in den Ingenieurwissenschaften. Für die Elektro- und Informationstechnik sind neueste Zahlen bekannt. Die Zahl der Studienanfänger an Universitäten und Fachhochschulen ist von etwa 17250 auf etwa 16300 abgesunken.

Übrigens, bei den Sprach- und Kulturwissenschaften ist das ganz anders. Deren Studentenzahlen nehmen ständig zu, obwohl jeder weiß, dass es für Sprach- und Kulturwissenschaftler viel geringere Berufschancen gibt als für Ingenieure. Haben die künftigen Sprach- und Kulturwissenschaftler etwa mehr Interesse für ihren Beruf als die künftigen Ingenieure?

Die Lage der Ingenieure ist tatsächlich viel besser als die anderer Berufsgruppen. Lesen Sie dazu die Ausarbeitungen der Bundesanstalt für Arbeit für einige ausgewählte Ingenieurfachrichtungen. Über die Arbeitsmarktsituation der Elektroingenieure heißt es dort: „Es mag absurd klingen: Der Einbruch in der Kommunikationsbranche und die nahezu flächendeckende Konjunkturschwäche machen sich auch auf dem Arbeitsmarkt für Elektroingenieure bemerkbar; die Zahl der Stellenangebote ist deutlich zurückgegangen. Trotzdem gehören Elektroingenieure immer noch – neben den Maschinenbauingenieuren – zu den begehrtesten und meist umworbenen Ingenieuren auf dem Markt.“

Aber Sie haben ja hoffentlich Ingenieurwissenschaften deshalb studiert, weil sie selbst ein besonderes Interesse an der Technik haben. Dieses besondere Interesse am gewählten Beruf führt auch zu dem Willen, alle möglichen Hindernisse am Berufsanfang und im Berufsleben zu überwinden. Und wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg, heißt es sprichwörtlich.
Begegnen sie der gegenwärtigen Situation mit coolness. Sie hätten gar nichts besseres tun können als Ingenieur zu werden. Ein guter Ingenieur ist für eine Menge Berufe gut.

Betrachten und behandeln Sie den Berufsanfang als ihr erstes zu durchzuführendes Projekt und bedenken Sie dabei folgendes:

Erstens stellen Firmen in Deutschland immer noch Ingenieure ein, auch wenn Belegschaft abgebaut wird.
Siemens stellte im Geschäftsjahr 2002 in Deutschland 2016 Hochschulabsolventen ein, die Mehrheit davon Ingenieure.
Dies sind aber nur 18% aller Einstellungen. Weltweit wurden bei Siemens im gleichen Zeitraum 11200 Hochschulabsolventen eingestellt! Die Gesamtzahl aller Einstellungen betrug bei Siemens weltweit 33.000 Personen. Jeder dritte Einge-stellte hatte also einen Hochschulabschluss.Und dies wird bei Siemens und anderen großen Firmen so bleiben.

Daraus gehen zwei Tendenzen hervor:
Höhere Qualifikation wird zunehmend benötigt. Studieren rentiert sich weiterhin.
Offensichtlich wird nicht nur die Produktion von Gütern globalisiert, sondern auch deren Entwicklung und Projektierung sowie Dienstleistungen wie Softwarebetreuung usw.
Zweitens muss man also Jobs auch im Ausland unbedingt in Betracht ziehen.
Nur muss man dazu die passende Sprache können oder erlernen. Streben Sie bei einer gefundenen Inlandstätigkeit an, ins Ausland geschickt zu werden! Ein Tipp: Montageabteilung, Ingenieur für Inbetriebsetzung.
Nichts ist spannender, als der Anlauf einer neuerstellten Anlage. Das ist keineswegs immer so katastrophal wie beim Projekt der Autobahnmaut. Man darf nur nicht das Produkt erst beim Kunden entwickeln. Und wenn dies doch nötig ist, muss man es vorher vereinbaren.

Drittens üben viele Studenten eine Nebentätigkeit aus.
Wenn diese Tätigkeit nicht fachfremd ist, bleiben Sie zunächst dabei. Versuchen Sie, diese Nebentätigkeit zur Vollbeschäftigung auszubauen!


Meiden es Sie wie die Pest, auch nur kurze Zeit keine fachliche Tätigkeit auszuüben.

Viertens könnten Sie sich nach Telearbeit via Internet umsehen.
Dabei kann man auch Gruppen von Partnern bilden. Derartige Projektgruppen können durchaus erfolgreich mit eingeführten Unternehmen zusammenarbeiten, die die Zahl der Festanstellungen niedrig halten wollen, aber über genügend Geschäftsumfang verfügen.
Auf diese Weise könnte auch die Basis für eine Firmengründung entstehen. Und wenn es „nur“ um eine Ich-AG geht, dann müsste doch gerade ein Ingenieur so etwas auf die Beine stellen können, oder?

Fünftens sollten Sie einmal Ihre Schlüsselqualifikationen überprüfen und untersuchen, ob Sie nicht diese mit ihren Ingenieurkenntnissen kombinieren könnten und damit beruflich erfolgreich werden.
Haben Sie beispielsweise schon einmal aufmerksam Betriebsanleitungen für tech-nische Geräte oder Anlagen oder Softwarepakete gelesen? Zum Teil furchtbar, was da drin steht. Wenn Sie glauben, das besser zu können: Verfassen Sie technische Beschreibungen oder werden Sie Fachjournalist. In Deutschland fehlt mindestens ein neuer Eduard Rhein. Nie von ihm gehört? Der Fachjournalist Eduard Rhein hat u.a. die Füllschrift für die Langspielplatte erfunden. Er war lange Jahre der Chefredakteur der “Hör zu”. Er hat übrigens sein Vermögen in eine Stiftung gegeben, die bahnbrechende technische Ideen auszeichnet.

Sechstens: Studieren Sie doch einfach weiter, wenn mit Bewerbungen trotz Ihrer guten Noten gar nichts läuft
und Sie Spaß am Studieren haben. Vertiefungs- und Aufbaustudien wären die rationellste Wahl.


Studieren Sie dann aber vorzugsweise im Ausland.
Ob Sie das Geld dafür auftreiben, ist erfahrungsgemäß nicht eine Frage Ihres momentanen Vermögens, sondern Ihres Könnens und Ihrer Persönlichkeit.

Neulich hörte ich von einem Absolventen der Fachrichtung Wirtschaftsingenieurwesen, dass seine Berwerbung bei einer Firma mit der Bemerkung abgelehnt worden sei: “Ja, wenn Sie Auslandserfahrung hätten....”(!!!). Das unterstreicht überdeutlich die Notwendigkeit, sich selbst möglichst schon vor Berufsbeginn zu globalisieren!
Sollten Sie einst genug Geld haben, schicken Sie Ihre Kinder auf Gymnasien und Hochschulen im Ausland. Das ist die mei-nes Ermessens beste individuelle Antwort auf die Pisa-Studie.

Sicher haben Sie noch mehr Ideen für das Projekt Berufsbeginn. Ich, der Verfasser, würde, wenn möglich, noch einmal Ingenieurwissenschaften studieren und den Ingenieurberuf beginnen, auch jetzt, in dieser kritischen, aber interessanten Zeitperiode.


Autor: Dipl.-Ing.(Univ.) Peter H. Thust, VDE