Bahnstromversorgung der Deutschen Bahn AG in Hamburg

Der Bahnumformer Hamburg Harburg E2 ist ein rotierender Asynchron- Synchron-Umformer mit Regelung der Drehzahl, der übertragenen Wirkleistung und der Ständerblindleistung der Asynchronmaschine. Der Ständer der Asynchronmaschine ist direkt an das 50 Hz-Drehstromnetz gekoppelt, der Läufer wird durch einen amplituden- und frequenzgeregelten Frequenzumrichter gespeist.
Damit ist eine frequenzelastische Kopplung des 50 Hz-Netzes und des 16 2/3 Hz-Bahnnetzes möglich (maximaler Frequenzunterschied Df = 4,5 %).

Der Frequenzumrichter besteht aus folgenden Hauptkomponenten:

Darüberhinaus sind als Teile des Schutzkonzeptes ein Zwischenkreis-Kurzschließer (ZKKS) und ein Läuferkreis-Kurzschließer (LKKS) enthalten.
Der Frequenzumrichter wird auf der Drehstromseite über einen Stromrichter-Transformator (D/d0 y11) an das Netz geschaltet.
Im Gleichspannungszwischenkreis befindet sich ein Zwischenkreis-Kondensator, der für die Glättung der Spannung zuständig ist und auch eine kurzzeitige Speicherung von transienten Energieschwankungen ermöglicht. Die Zwischenkreisspannung wird nicht konstant gehalten, sondern abhängig vom Schlupf zwischen 850 V und 1500 V verändert. Dadurch ist eine Reduzierung der Verluste und damit eine Erhöhung des Wirkungsgrades des Umrichters möglich.

Der Maschinenstromrichter besteht aus drei, über Ausgangsdrosseln parallelgeschaltete GTO-Pulswechselrichter. Die parallelgeschalteten Module arbeiten im regulären Umrichterbetrieb als Pulswechselrichter mit einer Taktfrequenz von 200 Hz. Die Ausgangsspannung des Vierquadranten-Wechselrichters hat eine Frequenz zwischen 0 Hz und 2,5 Hz.
Für den Hochlaufvorgang wird der Maschinenstromrichter nicht als Pulswechselrichter mit asynchroner Taktung, sondern in Vollblocktaktung (synchron) betrieben.
Diese beiden unterschiedlichen Betriebsarten werden durch zwei getrennte Programme für die digitale Regeleinrichtung bzw. den digitalen Steuersatz zur Ansteuerung der Ventile realisiert.
Die Läuferspeiseeinrichtung ist derart aufgebaut, daß beim Ausfall einer Teilkomponente (Netzstromrichter oder Maschinenstromrichter) ein automatischer, kontinuierlicher Weiterbetrieb, ohne Abschaltung, mit verminderter Leistung, möglich ist (Redundanz).
Im sog. "Notbetrieb" kann die Anlage mit nur einem Netzstromrichtermodul und/oder zwei Teilpulswechselrichtern arbeiten.
Damit wird die Betriebssicherheit und Verfügbarkeit der Anlage wesentlich erhöht und die außerbetrieblichen Stillstandszeiten werden verringert.

Zwischenkreis-Kurzschließer (ZKKS), Läuferkreis-Kurzschließer (LKKS):

ÜBERBLICK ÜBER DIE BAHNSTROM-SYSTEME IN EUROPA

Im wesentlichen unterscheidet man in Europa vier verschiedene Bahnstrom-Systeme, deren Wahl zumeist durch den Stand der technischen Entwicklung zum Zeitpunkt der Elektrifizierung geprägt war:

Gleichstrom-Bahnnetze:
Zu Beginn der Entwicklung von elektrischen Fahrmotoren für Triebfahrzeuge wurden Gleichstrom-Reihenschlußmotoren verwendet. Deren natürliche Kennlinie (großes Drehmoment bei Anfahrt, bzw. geringen Geschwindigkeiten) kommt einerseits bereits Traktionsanforderungen entgegen und ermöglicht andererseits eine einfache Art der Steuerung mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln (Reihen-Parallel-Umschaltung mehrere Fahrmotore sowie Feldschwächung, bzw. Vorwiderstände). Bei einem derartigen Bahnnetz sind aufgrund der Nicht-Transformierbarkeit von Gleichstrom auf den Triebfahrzeugen keine allzu großen Fahrleitungsspannungen möglich, wodurch für entsprechend hohe Triebfahrzeugleistungen große Ströme und somit hohe Leitungsverluste auftreten.

16 2/3 Hz-Bahnnetze:
Um die Vorteile von Wechselstrom (Verwendung höherer Fahrleitungsspannungen und somit geringere strombedingte Verluste aufgrund von dessen Transformierbarkeit) auch auf Traktionszwecke auszuweiten, begann zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Einsatz von konstruktiv modifizierten, mit Einphasen-Wechselstrom gespeisten Reihenschluß-Motoren, wobei aus mehreren Gründen die Wahl auf die Frequenz 16 2/3Hz (= 50/3 Hz) fiel:

50 Hz-Bahnnetze:
In den 50ger Jahren dieses Jahrhunderts wurde die Verwendung sogenannter Mischstrom-Motore möglich, welche aus einem Fahrleitungsnetz via Stromrichter mit einer geglätteten Gleichspannung versorgt werden. Somit war eine direkte Versorgung aus dem 50 Hz-Landesnetz realisierbar. Desweiteren konnten die obengenannten Probleme durch Fernmeldekabel mit besseren Reduktionsfaktoren und leistungsstärkere Drehstrom-Netze beseitigt werden. Darüberhinaus wurde in den letzten beiden Jahrzehnten durch die Entwicklungen auf dem Gebiet der Leistungselektronik und der Stromrichtertechnik die Verwendung von Asynchron- und Synchronmaschinen auch als Fahrmotore in Schienenfahrzeugen möglich, wobei Umrichter sowohl aus dem 16 2/3 Hz-Bahnnetz als auch aus dem 50 Hz-Bahnnetz eine frequenz- und amplitudenvariable Spannung zur Speisung der Fahrmotore erzeugen können.

BAHNSTROM-UMFORMER FÜR DIE DEUTSCHE BAHN AG IN HAMBURG

Allgemeines:
Der rotierende Umrichter Hamburg Harburg E2 für die Deutsche Bahn AG ist eine Anlage zur Übertragung von Wirkleistung aus dem 50 Hz-Drehstromnetz in das 16 2/3 Hz- Einphasen-Bahnnetz. Durch die Verwendung von modernster Umrichtertechnologie und einer modularen, flexiblen digitalen Regelung und Steuerung gliedert sich das Gesamtsystem nahtlos in das Netz der Bahnenergieversorgung ein (inkl. Fersteuerung und automatischer Fehlerdiagnose).

Beteiligte Unternehmen:

Realisierung der Steuerung und Regelung:
Das Gesamtkonzept der Regelung wurde vom Institut für Elektrotechnik entwickelt.
Die Implementierung der einzelnen Regelungs- und Steuerungsaufgaben wurde in folgender Aufteilung durchgeführt :

SIEMENS AG, Wien:

SIEMENS AG, Erlangen (Deutschland):

Institut für Elektrotechnik, Leoben:

Im Labor des Institutes für Elektrotechnik wurde die Inbetriebnahme der Steuerungs-, Regelungs- und Schutzeinrichtungen der reale Anlage durchgeführt. Die eigentliche Inbetriebnahme und Funktionsprüfung vor Ort in Hamburg wurde damit wesentlich verkürzt und ebenfalls mit Unterstützung des Institutes durchgeführt. Die Schutzeinrichtung wurde entsprechend den Anforderungen dimensioniert und im Labor getestet, ohne daß diese Störungen auf der realen Anlage, unter sehr großem Aufwand, künstlich hätten erzeugt werden müssen. Es ergibt sich damit bereits bei der Entwicklung und Inbetriebnahme eine deutliche Reduzierung der Kosten gegenüber vergleichbaren Systemen in der Vergangenheit.

Aufbau des Leistungsteiles:

Abb.1: Blockschaltbild für regulären Umformerbetrieb
Abb. 2: Detailliertes Leistungskreis-Schaltbild des Bahnstrom-Umformers
Abb. 3: Blockschaltbild während Fehlerbehandlung

Im Zwischenkreis befindet sich auch der Zwischenkreis-Kurzschließer (ZKKS), welcher im Störfall gezündet wird und damit die im Zwischenkreis und in den Induktivitäten gespeicherte Energie kontrolliert ableitet.
Der Läuferkreiskurzschließer (LKKS) stellt den Schutz für den Pulswechselrichter dar. Im Störfall können in der Asynchronmaschine transiente Ströme auftreten, die den maximal zulässigen Spitzenwert eines GTO-Ventils (4000 A) wesentlich überschreiten. Die Wicklung der Asynchronmaschine ist in der Lage, diese Ströme für kurze Zeit zu führen, ohne daß es zu einer Schädigung kommt. Wird von den Meßgliedern ein transientes Ansteigen des Stromes erkannt und überschreitet dieser einen oberen Schwellwert, wird der LKKS gezündet. Die transienten Ströme fließen nun nicht mehr über den Pulswechselrichter. Die Asynchronmaschine läuft in diesem Zustand ungeregelt am Drehstromnetz.

Diese Art der Fehlerbehandlung unterscheidet sich von allen bisher realisierten Anlagen, bei welchen nach der Zündung des LKKS eine kontrollierte Abschaltung der Anlage eingeleitet wird, woraufhin für den Weiterbetrieb ein neuerlicher kompletter Hochlaufvorgang initiiert werden muß. Wenn der transiente Vorgang innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne abklingt, kann die neu entwickelte, schnelle digitale Regelung einen direkten Übergang in den Umrichterbetrieb durchführen.
Es erfolgt keine Abschaltung der Anlage und damit auch keine lange Unterbrechung des Umformerbetriebes. Die Ausfallszeit bei einer transienten Netzstörung verringert sich von mehreren Minuten bei herkömmlichen Anlagen auf wenige Millisekunden bei dem neu entwickelten Verfahren.

Hochleistungsregelung, Anlagenschutz:
Die gesamte Regelung wird auf Basis der digitalen Steuerungs- und Regelungssysteme SIMATIC S5 und SIMADYN D der Fa. SIEMENS erstellt.

SIMATIC S5:
Die Steuerungsaufgaben und die Kommunikation werden durch die digitale Prozeßsteuerung SIMATIC S5 durchgeführt. Die digitale Regelung der Asynchronmaschine erfolgt in drei Hochleistungs-Prozessorkarten - eine PM4-Karte und zwei EP3-Karten.

PM4:
Von der Mikroprozessorkarte PM4 wird neben der übergeordneten Leistungsregelung auch die Koordinierung der unterlagerten, schnellen Stromregelung und der schnellen Zwischenkreisregelung gesteuert.

EP3:
Je eine EP3-Karte wird für die Regelung des Netzstromrichters sowie des Maschinenstromrichters verwendet.
Die schnellen Hochleistungsprozessorkarten EP3 enthalten Hochleistungs-Signalprozessoren, die die notwendige Rechenleistung für die Regler zur Verfügung stellen. Als Ausgangssignale liefern die Prozessoren direkt die Ansteuersignale für die einzelnen Thyristor-Ventile (im Netzstromrichter) bzw. GTO-Ventile (im Maschinenstromrichter), welche über Lichtwellenleiter bis zu den Ventilen weitergeleitet werden.

SIBAS:
Als vierter Teil wird eine analoge Steuerung (SIBAS) integriert, die für den Schutz der Anlage bei transienten Vorgängen und beim Ausfall der digitalen Regelung oder der Meßwerterfassung zuständig ist. Die Schutzeinrichtungen sind in Verbindung mit der transienten Steuerung in der Lage, eine bestimmte Klasse von Störungen zu erkennen und derart zu reagieren, daß es zu keiner Abschaltung sondern zu einer definierten Fehlerbehandlung kommt. Nach dem Abklingen der Störung geht die Anlage innerhalb weniger Sekunden in den regulärern Betrieb (Umformerbetrieb) über. Es handelt sich dabei um ein völlig unabhängiges System, das durch den analogen Aufbau wesentlich rascher auf Fehler reagiert als die digitale Steuerung. Wird ein Fehler erkannt, erfolgt eine Beurteilung durch SIBAS und anschließend, völlig unabhängig von der digitalen Steuerung und Regelung, entweder eine Abschaltung der Anlage (NOTAUS), oder eine transiente Fehlerbehandlung.

Nach dem Abklingen der Störung wird die Anlage wieder an die digitale Steuerung übergeben, die den regulären Umformerbetrieb weiterführt. Innerhalb der Meßwerterfassung (Strom-, Spannungs-, Leistungs- und Drehzahlmessung) wird eine Redundanz eingebaut. Es ist damit möglich, zu jedem Zeitpunkt die Plausibilität der Meßergebnisse und damit die Funktionsweise der wesentlichen Sensoren zu überprüfen. Wird von der analogen Schutzeinrichtung ein Fehler erkannt, dann kann die Anlage aus jedem beliebigen Betriebs- oder Fehlerzustand sicher abgeschaltet werden. Es existiert damit ein System, das eine Beschädigung oder Zerstörung der Anlage, auch aufgrund von Fehlbedienungen, vermeidet.

Erhöhung des Wirkungsgrades:
Durch den Einsatz eines Vierquadranten-Pulswechselrichters in GTO-Technik und eines Zwischenkreises mit variabler Zwischenkreisspannung werden die Umrichterverluste gegenüber herkömmlichen Anlagen ähnlicher Leistungsklasse deutlich verringert. Durch die Pulswechselrichtertechnik kommt es zu einer wesentlich geringeren Beanspruchung der Läuferwicklung der Asynchronmaschine. Gleichzeitig können durch die Optimierung des Stromverlaufes der Wirkungsgrad erhöht und die Oberschwingungen verringert werden. Der Einsatz eines zwangskommutierten Frequenzumrichters als Läuferspeiseeinrichtung ermöglicht es, bei der Regelung nicht nur die zu übertragende Wirkleistung vorzugeben, sondern auch den Leistungsfaktor der Anlage am 50 Hz-Drehstromnetz innerhalb definierter Grenzen einzustellen. Im regulären Betrieb ist es möglich, die Anlage mit einem Leistungsfaktor cos j = 1,0 zu betreiben, d.h. es muß vom Energieversorgungsunternehmen keine teure Blindleistung zugekauft werden. Die Anlage ist sogar in der Lage, induktive Blindleistung ins Netz zu liefern, und somit anderen Verbrauchern Blindleistung zur Verfügung zu stellen.

Neuartiges Hochlaufverfahren:

Abb. 4: Blockschaltbild während des Hochlaufes

Für den Hochlauf des Maschinensatzes wurde ein neues Verfahren entwickelt. Anstelle einer eigenen, teuren Anwurfeinrichtung (Anwurfmotor, Zusatzwicklung in der Maschine, Vorwiderstände, Spezialschaltungen, etc.) wird die Asynchronmaschine bei kurzgeschlossener Ständerwicklung über die Läuferspeiseeinrichtung mit gesteuerter Frequenz und Spannung auf Nenndrehzahl hochgefahren. Damit ist ein sehr sicheres und schonendes Anlaufen der Anlage möglich.

Durch das neue, billige Verfahren wird das bei alten Anlagen hohe Risiko eines Fehlers während der kritischen Hochlaufphase auf nahezu Null reduziert.
Durch die Tatsache, daß für den Hochlauf der Anlage keine zusätzliche Hardware notwendig ist, sondern daß er durch die geeignete Ansteuerung (Software des Maschinenstromrichters auf der zugehörigen EP3-Signalprozessorkarte) des Maschinenstromrichters bei kurzgeschlossener Ständerwicklung durchgeführt wird, entstehen nahezu keine Kosten.
Als zusätzliche Option kann durch die Umkehrung des Hochlaufvorganges ein aktives Bremsen der Anlage durchgeführt werden. Dabei wird die in den Läufern der Maschinen gespeicherte mechanische Energie aus der Läuferwicklung entnommen (Asynchronmaschine als Generator) und über den Maschinenstromrichter sowie den Zwischenkreis ins 50Hz-Drehstromnetz zurückgespeist.

Quelle: MONTANUNIVERSITÄT LEOBEN