Online-Autotuning für optimalen Motorbetrieb

1. Einleitung

Die elektrische Antriebstechnik mit Frequenzumrichtern erlebt durch den Umstieg von Gleichstrom- hin zu Drehstromantrieben momentan eine echte Blütezeit. Insbesondere durch neue Schaltungstopologien im Leistungsteil der Frequenzumrichter, z.B. sogenannten IPMs (Intelligent Power Modules), werden die Zuverlässigkeit der Geräte, aber auch die Laufeigenschaften einer Asynchronmaschine, entscheidend verbessert. Die automatische Erfassung der Ersatzschaltbildwerte einer Asynchronmaschine durch den Frequenzumrichter selbst, stellt für den Anwender, der in der Regel keine Detailkenntnis über den an den Umrichter angeschlossenen Motor besitzt, eine wesentliche Vereinfachung der Inbetriebnahme dar, da er praktisch jeden in der Praxis üblichen Asynchronmotor an seinen Frequenzumrichter anschliessen und mit optimaler Einstellung betreiben kann. Speziell für die Modernisierung von Antrieben und dem Retrofitting von alten Maschinen in der Industrie eröffnet sich damit ein weites Feld. Aber nicht nur technische Vorteile sind ausschlaggebend, auch ökonomische Gründe lassen oft eine Modernisierung von alten Antrieben oder Anlagen sinnvoll erscheinen. Stichworte wie Energieeinsparung, Wartungsarmut und Bedienkomfort sind in aller Munde. Die in jüngster Zeit gemachten Fortschritte auf dem Gebiet der Motoranpassung an den Frequenzumrichter werden im folgenden näher erläutert. Ferner wird dargestellt, in welcher Weise diese Entwicklungen in Innovationen des Produktbereichs Drive Systems der MITSUBISHI ELECTRIC Europe B.V. eingesflossen sind.


2. Auto-Tuning der Motordaten


Bild 1: Einphasiges Ersatzschaltbild einer Asynchronmaschine mit Käfigläufer

 

Ein Frequenzumrichter ist in der Lage, eine Asynchronmaschine optimal zu betreiben, wenn er genau informiert ist über die Ersatzschaltbildwerte des Motors. Dies geschieht mittels eines in der Software abgelegten Motormodells. Dabei sind:

  • R1 = ohmscher Wicklungswiderstand des Stators
  • R2' = ohmscher Wicklungswiderstand des Rotors
  • L1S = Streuinduktivität des Stators
  • L2S' = Streuinduktivität des Rotors
  • LH = Hauptinduktivität
  • u1 = Spannung an der Wicklung
  • i1 = Strangstrom in die Wicklung
  • id = Magnetisierungsstrom (Leerlaufstrom)
  • iq = drehmomentbildender Anteil des Stromes i1
  • e = Gegeninduktion (-spannung) an der Hautpinduktivität LH
  • s = Motorschlupf

Die Messung der Motordaten durch den Umrichter ist daher die Grundvoraussetzung, um den Motor mittels Advanced Magnetic Flux Vector Control optimal betreiben zu können und erlaubt es, selbst unbekannte Motoren mit dem Frequenzumrichter problemlos in Betrieb zu nehmen. Während der Inbetriebnahme des Antriebs werden dabei durch das Off-Line Autotuning in 3 Stufen nacheinander die Motorwerte ermittelt :

Phase 1: DC-Einspeisung -Bestimmung von R1 im Stillstand

Phase 2: AC-Einspeisung - Bestimmung von R2', L1S, L2S' während der Beschleunigung

Phase 3: AC-Einspeisung - Bestimmung von LH während Fahrt mit konstanter Drehzahl

Das Off-Line Autotuning wird üblicherweise im Leerlauf durchgeführt, um mögliche Fehlmessungen zu vermeiden. Im laufenden Betrieb verändert sich besonders der Wicklungswiderstand des Rotors R2' sehr stark mit der Temperatur. Unterschiede im Ohmwert zwischen kaltem und warmem Motor von über 30% sind keine Seltenheit. Im Hinblick auf gleichbleibende Regeleigenschaften des Antriebs ist es daher zwingend notwendig, den Temperatureinfluß möglichst gut zu kompensieren. Bei Frequenzumrichtern älteren Datums geschah dies in der Regel durch ein internes Rechenmodell, bei dem rein mathematisch der Temperatureinfluß als Störgröße ermittelt wurde. In der neuen Frequenzumrichter-Generation FR-A 500 von MITSUBISHI ELECTRIC wird dieser Temperatureinfluß dagegen durch ein sogenanntes On-Line Autotuning während des Betriebs dauernd erfasst und die internen Rechengrößen im Umrichter entsprechend korrigiert. Praktisch geschieht dies dadurch, daß bei jedem Start des Motors für die ersten 50 - 500 msec (abhängig vom Motortyp) die Messung nach Phase 2 des Off-Line Autotuning wiederholt wird. Damit wird nun sichergestellt, daß Temperaturänderungen und damit Widerstandsänderungen im Motor laufend überwacht und intern kompensiert werden :
Bild 2 zeigt das Blockschaltbild des On-Line Autotuning. Durch den Einsatz eines schnellen 64-bit RISC (= Reduced Instruction Set CPU) Microcontrollers können im On-Line Modus beide ohmschen Wicklungswiderstände R1 und R2' erfaßt und kompensiert werden.


Bild 2 : Blockschaltbild des On-Line Autotuning

 

Damit erhält man ein ausgezeichnetes Drehmoment-Drehzahl-Verhalten selbst bei sehr kleinen Drehzahlen.

3. Auswirkungen des On-Line Autotuning auf die Eigenschaften des Antriebs

Das nachfolgende Bild 3 verdeutlicht den Effekt des Online-Autotuning auf die Drehzahlkonstanz eines Antriebs mit z.B. 300 Umdrehungen pro Minute:

Bild 3: Kompensation der Motor-Temperatur

 

Wie man unschwer erkennt, verbessert das On-Line Autotuning die Drehzahlkonstanz des Antriebs ganz erheblich.

4. Advanced Magnetic Flux Vector Control (AMFVC)

Die Eigenschaften einer Asynchronmaschine bei Frequenzumrichter-Betrieb stehen und fallen mit der angewandten Regelstrategie bzw. dem Regelprinzip. Ziel ist es, einer Asynchronmaschine zu den hervorragenden Regeleigenschaften eines fremderregten Gleichstrommotors zu verhelfen. Dadurch kann man den Vorteil der einfachen Regelbarkeit eines Gleichstrommotors mit der Wartungsfreiheit einer Asynchronmaschine mit Käfigläufer verbinden und so dem Anwender einen nahezu optimalen Antrieb zur Verfügung stellen. Antriebe ohne Drehzahlrückführung sind aufgrund ihrer einfachen und damit kostengünstigen Montage in der Industrie sehr beliebt. Dem gegenüber stehen die immer weiter steigenden Ansprüche an Drehzahlgenauigkeit und Drehmomentenverhalten. MITSUBISHI ELECTRIC hat daher das neue Verfahren der AMFVC entwickelt, um auch bei kleinen Ausgangsfreqenzen von 0,5 Hz ein maximales Drehmoment von 150% Motor-Nennmoment an der Motorwelle erzeugen zu können und dies bei einem Drehzahlstellbereich von 1:120 (open-loop).
Bild 4 zeigt das Blockschaltbild der AMFVC, wonach der Ausgangsstrom des Umrichters mit aktiven Stromwandlern gemessen und softwaremäßig in die beiden Anteile id (Magnetisierung) und iq (drehmomentbildend) aufgespalten wird.


Bild 4: Blockschaltbild Advanced Magnetic Flux Vector Control AMFVC

 

Aufgabe der Regelung ist es, durch Konstanthalten der Spannung e an der Hauptinduktivität LH des Motors (siehe Bild 1) den Magnetisierungsstrom id ebenfalls konstant zu halten und durch eine 100%-ige Entkopplung der Ströme id und iq das Verhalten eines fremderregten Gleichstrommotors zu erzielen. Durch die AMFVC Regelung erzielen die Frequenzumrichter von MITSUBISHI ELECTRIC eine Drehzahlstabilität im unteren Drehzahlbereich, die ihresgleichen auf dem Markt sucht. Insbesondere die erreichte Unabhängigkeit von Belastungsschwankungen (Drehmomentstößen) zeugt von den herausragenden Eigenschaften der neuartigen Regelung. Bild 5 zeigt die Drehmoment-Drehzahl-Charakteristik der neuen Frequenzumrichter-Baureihe FR-A 500 am Beispiel eines 3,7 kW Antriebs :

Example of speed/torque characteristics during low-speed operations (SF-JR 4P 3.7kW motor)
Example of speed/torque characteristics when using advanced flux vector control (on-line tuning selected, SF-JR 4P 3.7kW motor)


Bild 5: Drehmoment-Drehzahl-Charakteristik FR-A 500 Serie

 

Im Vergleich zum Vorgängermodell FR-A 200 bietet die AMFVC noch einen weiteren Vorteil: stellt man die Kennlinien beider Modelle gegenüber (FR-A 500 mit AMFVC und FR-A 200 ohne AMFVC), so zeigt sich mit dem neuen Verfahren eine wesentlich verbesserte Rundlaufgüte bei kleinen Drehzahlen.

Bild 6 : Verbesserung der Rundlaufeigenschaft - Example of comparative data on uneven rotation (inverter operation frequency: 3Hz; SF-JR 4P 3.7kW motor)

In Kombination mit einem neu entwickelten Smart-Driver IC zur Leistungstransistor-Ansteuerung gelingt es der AMFVC den Drehzahl-Ripple bei kleinen Drehzahlen im Vergleich zu vorher mehr als zu halbieren.

5. Soft-PWM

Die meisten Hersteller von Freuqenzumrichtern gingen mit dem Fortschritt auf dem Gebiet der Leistungstransistoren zu immer höheren Taktfrequenzen über. Auch im Hause Mitsubishi gab es diesen Trend. Grund für die immer höheren Taktfrequenzen ist die Geräuschminderung der Antriebe. Das menschliche Gehör hat zwischen ca. 1-3 kHz sein Maximum an Empfindlichkeit. Frequenzumrichter, die mit einer festen PWM (= Puls-Weiten-Modulation) Frequenz arbeiten, werden daher oft als unangenehm im Geräusch empfunden, insbesondere wenn die Leistungstransistoren wegen möglicher Schaltverluste nur mit niedrigen Freqenzen getaktet werden.


Bild 7: Soft-PWM Verfahren zur Geräuschminimierung bei niedrigen Taktfrequenzen

 

Um nun die Vorteile der Geräuscharmut mit dem Ziel möglichst geringer Schaltverluste und damit eines hohen Wirkungsgrads der Antriebe zu kombinieren, hat MITSUBISHI ELECTRIC ein sogenanntes Soft-PWM Verfahren entwickelt. Hierbei wird nicht mit einer festen Taktfrequenz, sondern mit einem zusätzlichen Jitter um diese Frequenz gearbeitet. Üblicherweise wird beim Soft-PWM Verfahren mit einer Taktfrequenz der Leistungstransistoren von nur 2 kHz gearbeitet. Die Impulsbreite t0 wird dabei so innerhalb der Periode T hin- und hergeschoben (siehe t11 und t12), daß ein nahezu weißes Rauschen als Geräusch entsteht. Damit entfällt der lästige Pfeifton bei niedrigen Taktfrequenzen. Die folgenden Bilder zeigen als Vergleich das bisherige feste PWM-Verfahren zum neuen Soft-PWM Verfahren: Das obere Bild zeigt eine Standard-PWM mit 2 kHz Taktfrequenz. Beim angeschlossenen Motor zeigt sich dabei ein Geräuschmaximum bei 4 kHz, einer Frequenz, die für das menschliche Ohr sehr unangenehm ist. Im Vergleich dazu reduziert die Soft-PWM das entstehende Geräusch drastisch (siehe unteres Bild).

 

Standard PWM (Taktfrequenz 2 kHz)

 

neue "Soft PWM"

 

Bei scheinbar fest etablierten Technologien läßt sich durch Einsatz von Detail-Verbesserungen viel für den Kunden erreichen. Die neue Advanced Magnetic Flux Vector Control aus dem Hause MITSUBISHI ELECTRIC bewirkt im Zusammenspiel mit dem beschriebenen On-Line Autotuning und dem Soft-PWM Verfahren ein nahezu optimales Verhalten des an den Frequenzumrichter angeschlossenen Asynchronmotors. Eine noch weitreichendere Verbesserung läßt sich nur durch Einsatz einer Tachorückführung erreichen. Durch Verwenden einer Optionskarte kann die Open-loop Advanced Magnetic Flux Vector Control zur Closed-loop Field-Oriented Vector-Control erweitert werden. Mit dieser läßt der Frequenzumrichter dann keine Wünsche mehr offen und der Anwender kann die volle Bandbreite an Anwendungen abdecken.

 

Quelle: Mitsubishi Electric